Über das Heute und die Zukunft

Das jährliche Interview mit Pfarrer Dr. Steinke im April 2023

 

Interview mit Pastor Steinke nach 26 Jahren in Flingern/Düsseltal.

 

MITEINANDER: Vor einem Jahr sprachen wir über die geplante Zusammenlegung unseres Seelsorgebereiches mit dem von Derendorf/Pempelfort. Die Idee war ein langsames Zusammenfinden bis 2030; erst ein bis zwei Jahre vorher sollte ein gemeinsamer Pfarrer für die neue pastorale Einheit gesucht werden. Nun hat Pfarrer Dölle seinen Dienst in Derendorf/Pempelfort aus gesundheitlichen Gründen überraschend bereits Ende Februar beendet. Was bedeutet diese Veränderung für Sie?

 

Ansgar Steinke: Zunächst war ich erschrocken. Ich sah mich vor zwei Alternativen gestellt: Die eine war, ab September dieses Jahres beide Seelsorgebereiche als Pfarrer zu leiten und zu gestalten. Das würde – auch bei größtmöglicher Straffung und sehr kreativer Umstrukturierung der Arbeit – doppelt so viel oder mindestens deutlich mehr Arbeit als bisher bedeuten. Ich empfand das sofort als Überforderung. Die Alternative wäre, so meine Befürchtung, hier schon viel schneller wegzumüssen, als ich das eigentlich will. Das tat weh, denn ich fühle mich hier sehr wohl.

Zum Glück war diese Angst unbegründet. Köln hat mir in meiner Entscheidung freie Wahl gelassen: Entweder übernehme ich in Zukunft beide Bereiche, oder es gibt erst einmal einen neuen Pfarrer für Derendorf/Pempelfort, mit dem als Nachbarn ich die Kooperation unserer beiden Bereiche noch ein paar Jahre gestalten kann, bevor er die Leitung des ganzen Seelsorgebereiches Flingern/Düsseltal/Derendorf/Pempelfort übernimmt. 

Bis Ende März hatte ich Zeit, mich zu entscheiden. Ich habe dazu eine Reihe von Gesprächen in Derendorf/Pempelfort geführt: mit der Verwaltungsleitung, dem Kirchenvorstand, dem Pfarrgemeinderat und dem Seelsorgeteam. Allen war kommuniziert, dass ich für mich die Frage klären wollte, ob ich die Aufgabe als Pfarrer übernehme. Die Gespräche waren alle angenehm, zum Teil richtig schön. Eine Zusammenarbeit mit den Menschen in den verschiedenen Gremien erschien mir tatsächlich reizvoll. Dennoch begleitete mich die Frage, ob meine Kräfte dafür reichen. Deutlich stand mir noch vor Augen, was für ein Kraftakt die Zusammenlegung und Neugestaltung der ehemals fünf Gemeinden hier zu dem heutigen Seelsorgebereich Flingern/Düsseltal gewesen ist. Und damals war ich 37 und hatte Kraft ohne Ende! Sollte ich eine solche oder noch größere Aufgabe jetzt noch einmal angehen, und das nach drei Jahren der Unterbesetzung im Seelsorgeteam, die mich kräftemäßig an meine Grenzen gebracht haben? Mein Bauchgefühl sagte mir eigentlich die ganze Zeit: Tu es nicht! Und auch nach den Gesprächen behielt diese Intuition die Oberhand. Ich werde es also nicht machen, werde nicht zusätzlich noch Pfarrer von Derendorf/Pempelfort werden. Mit dieser Entscheidung bin ich mit mir im Reinen, und auch Köln war einverstanden.

 

MITEINANDER: Wie geht es jetzt weiter in Derendorf/Pempelfort und bei uns?

Steinke: In Derendorf/Pempelfort werde ich Pfarrer Heidkamp im Herbst als „Pfarrverweser“ ablösen, bis, wahrscheinlich im Sommer 2024, dort ein neuer leitender Pfarrer ernannt wird, der dann spätestens ab 2030, eher etwas früher, dem neuen Seelsorgebereich vorstehen soll. Bis dahin werden wir beide jetzigen Bereiche weiter entwickeln und hier – so lange es trägt – weitermachen wie bisher. Natürlich werden wir, wo es sinnvoll ist oder sich anbietet, zunehmend mögliche Synergien wahrnehmen und Anschlussstellen für das Zusammenkommen beider Bereiche entwickeln. 

 

MITEINANDER: Welche Anliegen stehen dabei für Sie im Mittelpunkt?

Steinke: Für mich ist noch eine spannende Frage, welche Rechtsform die neuen Sendungsräume annehmen werden, also wie selbstständig die einzelnen Teile bleiben können bzw. wie weit sie verschmelzen müssen.  Ich bin ja dafür, auch nach der Vereinigung eine möglichst weitgehende Eigenständigkeit vor Ort in der Pastoral zu bewahren und möglichst wenig Zentralismus entstehen zu lassen. Das Ziel muss sein, sowohl die enge Kooperation im ganzen Bereich, als auch das Leben vor Ort zu stärken. Je größer der pastorale Raum, desto intensiver muss das Engagement im Kleinen, also im wirklichen Beziehungsraum unterstützt werden. Eine Verwurzelung und Verbundenheit in einem vertrauten Bereich ist wichtig, damit die Menschen nicht von der Fahne gehen. Das muss, wie man bei uns seit vielen Jahren sehen kann, überhaupt nicht einer gemeinsamen Identität als Katholische Kirche im Stadtbezirk entgegenstehen. 

Ich wünsche mir deshalb vom Bistum in den nächsten Wochen die Entscheidung, dass die neuen Großbereiche nicht gezwungen werden, alle bisher selbständigen Kirchengemeinen jeweils zu einer einzigen Pfarrei zu fusionieren – mit einer einzigen Pfarrkirche, an der dann pastoral „die Musik spielt“, und mit einem einzigen Kirchenvorstand, der sich dann um alle neun Kirchen kümmern muss; welcher ehrenamtliche Kirchenvorstand soll das leisten? Ich halte das bei uns bewährte Modell mehrerer Gemeinden in einem engen Verbund für lebensnäher und praktikabler. Die gelungene Balance zwischen unseren drei Pfarreien St. Elisabeth und Vinzenz, Liebfrauen und St. Paulus und dem ganzen Kirchengemeindeverband Flingern/Düsseltal wäre auch mein Modell für eine enge Kooperation und gleichzeitige größtmögliche Eigenständigkeit der beiden Bereiche Flingern/Düsseltal und Derendorf/Pempelfort. 

Bei diesen Fragen und Lösungsmodellen werden uns auch ganz handfeste materielle Fragen nicht erspart bleiben: Das Geld wird zunehmend knapper. Welche Ressourcen stehen uns in Zukunft zur Verfügung, vor allem angesichts unserer Vielzahl an Immobilien, insbesondere unserer großen Kirchen? Wie wollen bzw. müssen wir unsere knapper werdenden Mittel einsetzen? Wovon werden wir uns verabschieden müssen? Diese entscheidenden Fragen werden in den nächsten Jahren, teils schon vor 2030 auf uns zukommen. Und ebenso wird das Personal knapper. Die Zahl der Seelsorgerinnen und Seelsorger, so die Prognose des Bistums, wird sich bis 2030 halbieren! Auch dieses Thema wird uns in den Seelsorgeteams und Pfarrgemeinderäten bald dringender beschäftigen, sicher auch gemeinsam mit unseren Nachbarn.

 

MITEINANDER: Stichwort Personal: Seit Frau Körbers Weggang vor über drei Jahren waren alle Bemühungen um eine Nachfolge vergeblich. Gibt es Licht am Ende des Tunnels?

Steinke: Tatsächlich konnten wir die Lücke, die Frau Körber hinterlassen hat, nicht wirklich wieder schließen. Manches war in dieser Zeit, trotz aller Anstrengung auch von ehrenamtlich Tätigen, nicht zu leisten. Dies gilt ganz allgemein für die seelsorgliche Begleitung von Menschen, aber zum Beispiel auch im Bereich von Kinderkatechese, Kommunionvorbereitung, Kindergarten- und Schulpastoral. Und manches konnten wir drei, Herr Bünnagel, Herr Kehrbusch und ich, einfach aus Überlastung, nicht in der Qualität schaffen, die uns selber wichtig ist.

Gottseidank werden wir ab 1. September mit unserem neuen Pastoralreferenten Martin Kalff endlich wieder ein vollständiges Team sein. Herr Kalff bringt große Berufserfahrung mit und ist hoch motiviert, bei uns zu arbeiten. Er wird seinen Arbeitsschwerpunkt und Wohnsitz in St. Paulus haben. 

Die Neubesetzung dieser Stelle verstehe ich durchaus als Signal: Wir werden es in den kommenden Jahren nicht einfach auslaufen lassen in Richtung #zusammenfinden, sondern mit Power und Engagement aufbrechen, weiterhin neue Ideen entwickeln, aktiv und kreativ bleiben oder wieder werden. 

 

MITEINANDER: Auch aus den Pfarrbüros gibt es Neues zu berichten.

Steinke: Ja. Zunächst mal gibt es ein dreifaches Jubiläum. Frau Hemmersbach, Frau Löwe und Frau Thelen sind in diesen Tagen 25 Jahre bei uns. Das sind Jahrzehnte mit Engagement und Herzblut, wirklich beeindruckend. Dafür bin ich sehr dankbar! 

Leider kommt dazu: Nach Frau Hemmersbach, die gerade in Rente gegangen ist, wird zum 1. Mai auch Frau Löwe ihre Tätigkeit bei uns beenden und in den Ruhestand treten. Das ist sehr schade! Wir werden Frau Löwe, wie auch Frau Hemmersbach, sehr vermissen – menschlich und aufgrund ihres Umgangs mit allem, was in einem Pfarrbüro zu tun ist. Jubiläum und Abschied werden selbstverständlich gebührend gefeiert! 

Neu konnten wir glücklicherweise für unser Pfarrbüro Frau Rommerskirchen gewinnen, die nach der ersten Einarbeitung nun mit Frau Antonios, Frau Glados und Frau Thelen ein starkes Team bildet. Darüber bin ich wirklich froh. 

 

MITEINANDER: Sie blicken auf ein arbeitsreiches Jahr zurück. Was waren Ihre besonderen Highlights?

Steinke: Besonders freue ich mich über das positive Echo auf die Vorbereitung der Erstkommunion. Eltern und Kinder haben sozusagen angebissen. Das tolle Krippenspiel, die Beteiligung bei den Sternsingern, der Familienchor und die gute Stimmung bei den Proben, auch die starke Präsenz bei den Kinderkatechesen haben gezeigt, dass unsere Angebote angenommen wurden und alle Beteiligten ihre Freude daran hatten. Das macht natürlich Spaß!

Sehr schön war auch das Osterfest. Während Gründonnerstag und Karfreitag die Kirchen weniger gefüllt waren, waren zu Ostern alle wieder voll da. Davon lebe ich auch persönlich sehr. Es gab an Ostern auch vier Taufen, davon eine Erwachsenentaufe; das bewegt mich immer besonders. So bleibt für mich der Eindruck, dass trotz aller Widrigkeiten die Kernbotschaften unseres Glaubens nach wie vor ankommen können.

 

MITEINANDER: Sie sind vielen Gemeindemitgliedern auch als begeisterter Leser bekannt. Was liegt gerade auf Ihrem Nachttisch?

Steinke: Dort liegt gerade ein Roman von Michael Köhlmeier mit dem Titel Matou. Der Roman wird erzählt aus der Perspektive eines Katers, der sich seine bekanntlich sieben Leben selbst auswählt. Matou kann darüber hinaus denken und schreiben, er lernt sogar das Sprechen. Sein erstes Leben führt ihn in den Haushalt eines französischen Revolutionsführers. Auf seiner nächste Station logiert er bei E.T.A. Hoffmann in Berlin, dann geht es über die Katzeninsel Hydra und weitere Stationen bis in die Gegenwart. Aus der Fremdperspektive des höchst gebildeten Katers entsteht ein philosophisch, historisch und sprachlich spannendes Buch über menschliches Denken. Mit fast 1000 Seiten allerdings ein echter Wälzer, also vor allem eine Leseempfehlung für geduldige Leserinnen und Leser!

 

MITEINANDER: Zum guten Schluss: Worauf freuen Sie sich gerade besonders?

Steinke: Das ist im Mai der 91. Geburtstag meiner Mutter. Gemeinsam mit meinem Bruder und seiner Frau wird der Tag hier in Düsseldorf mit einem festlichen Essen gefeiert. Danach geht es ab in den Urlaub nach Bayern!

 

Das Gespräch mit Pastor Steinke führte Agathe Schüren.